Was würdest Du machen, wenn Du nicht Jura studieren würdest? Was ist dein Plan B? Das war in meinem Ersten Semester der beliebteste Ice-Breaker – und das mit gutem Grund! Schließlich brennt wohl kaum jemand ausschließlich nur für Jura. Ich für meinen Teil musste mich damals nach dem Abi entscheiden, ob ich meinen Leistungskurs zum Studium mache und Informatiker werde, oder ob ich den Schuss ins Blaue – das Jurastudium – wagen will. Obwohl ich wusste, dass mir Ersteres durchaus gelegen und Spaß gemacht hätte, entschied ich mich letztlich trotzdem für die Juristerei – wenn auch mit einem weinenden Auge. Während ich so vor mich hin studierte und das unbekannte Fach lieben lernte, vermisste ich doch immer ein bisschen das Schöpferische und Digitale der Informatik. Irgendwann stieß ich dann auf dem Fakultätskarrieretag bei der Suche nach einem Praktikumsplatz auf den Begriff „Legal Tech“ und war sofort Feuer und Flamme. Zwar hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine wirkliche Ahnung, was damit genau gemeint war, aber was sollte mir an einer Schnittstelle von Jura und Informatik schon nicht gefallen?
Getragen von meiner Begeisterung fing ich an, die Vertreter*innen der dort ausstellenden Kanzleien dazu auszufragen – mit ernüchternden Ergebnissen. Zwar hatten alle das grobe Thema auf dem Schirm, ein wirkliches Programm für Studierende in dieser Richtung, geschweige denn ein Praktikum, wurde aber von niemandem angeboten.
Bei dem Stand von Freshfields Bruckhaus Deringer fand ich dafür aber eine Anwältin, die von Legal Tech ähnlich begeistert war wie ich und wir unterhielten uns eine ganze Weile. Irgendwann holte sie dann Ihren Chef – einen Partner aus Düsseldorf – dazu, der mir dann von einer neuen Legal Tech Abteilung erzählte, die Freshfields gerade in Berlin eröffnet hatte. Zwar gäbe es dort noch kaum Strukturen und alles sei sehr experimentell, aber er würde gerne einmal nachfragen, ob man jemanden mit einschlägigen Vorkenntnissen und reichlich Motivation ein paar Wochen über die Schulter schauen lassen würde. Einige Mails und Telefonate später saß ich dann tatsächlich in der Lobby im 16. Stock des Potsdamer Platz 1, gespannt auf den ersten Tag meines Legal-Tech Praktikums, das so eigentlich gar nicht existierte. Zwar waren die folgenden sechs Wochen erwartbarer Weise mangels festen Programms nicht besonders strukturiert, genau darin lag für mich aber der Charm. Ich hatte das Gefühl, live dabei zu sein, wie die juristische Arbeitswelt modernisiert und auf den Kopf gestellt wird. Ich durfte von Anfang an an großen Prestigeprojekten mitarbeiten und konnte endlich wieder das machen, was ich damals in meinem Lieblings-LK gelernt hatte: Algorithmen entwickeln – aber dieses Mal im Jura-Kontext. Auf die genauen Einzelheiten einzugehen, erscheint mir in diesem Rahmen angesichts des doch nischigen Spezialgebiets wenig sinnvoll. Was ich vielmehr sagen will, ist: Jura hat unendlich viele Facetten, weil alles irgendwie mit dem Recht zusammen hängt. Und wie eingangs festgestellt, brennt niemand nur für Jura allein. Daraus ergibt sich für mich die klare Schlussfolgerung: Es gibt für Jede und Jeden ein nischiges Spezialgebiet, das ganz genau zu ihnen passt. Die andere Leidenschaft muss nicht der Plan B bleiben, sondern kann vielleicht die perfekte Schnittstelle zu Jura bilden. Und um genau das her- auszufinden, gibt es wohl keine bes- sere Möglichkeit als ein Praktikum. Und wenn es wirklich das Richtige ist, dann klappt das mit ein bisschen Beharrlichkeit auch, obwohl es dort eigentlich gar kein Praktika gibt.
Jonas Schäfer
